Ausstellung <TransAlpin> im Künstlerhaus Wien 2013

oder die langsame Enteisung der Wiener Neustadt

 

1872 startete die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition unter Leitung von
Kapitän Carl Weyprecht zu Wasser  und Julius Payer zu Land, 22 Mitglieder Besatzung und sieben Schlittenhunden.
Mit dem speziell für diese Expedition gebauten Forschungsschiff S/X Admiral Tegetthoff suchten sie den nördlichen Seeweg zur Beringstrasse, die Nord-Ost-Passage.


Nach einem Monat waren sie auf ihrem Schiff von Treibeis eingeschlossen
und blieben es die nächsten 2 Jahre! 

Am 30. August 1873 entdeckte die Mannschaft unbekanntes Land, das sie am
2. November in Besitz nahmen, die Öesterreich-Ungarische Flagge hissten und  es Kaiser-Franz-Josefs-Land nannten. Unter der Leitung von Julius Payer  vermassen und kartographierten die Entdecker die Inselgruppe.
Die zentrale Insel tauften sie auf den Namen
Wiener Neustadt.

Nach zwei Jahren verliess die Mannschaft das rettunslos eingefrorene Schiff. Über 80 Tage kämpften sie sich zu Fuss, ihre Rettungsboote hinter sich herschleppend nach Novaja Semlia, wo sie von russischen Fischern gerettet wurden

 

 

    

Heute gehört die Inselgruppe zu Russland. 
Forschungsstationen sind ganzjährig tätig und Russische Eisbrecher führen Touristen zu der Inselgruppe.

     

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(147 Jahre später besuchte die MOSAIC-Expedition den Nordpol.)


Eisinstallation im Künstlerhaus Wien 2013.

  

  

  

Textauszug aus dem Katalog

Die langsame Enteisung der Wiener Neustadt

Heinz Niederer erlebt Wien als gebaute Geschichte. Die glanzvolle Machtfülle seiner Gebäude und Parkanlagen erinnern an die grossen Zeiten einer Weltmacht. Sein Beitrag zur Ausstellung <TransAlpin> ist ein Brückenschlag von einem dramatischen Stück Wiener Geschichte zur Welt von heute.

Der Künstler beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit den grossen Polarexpeditionen. Er, der in jungen Jahren zur See fuhr, hat die öde Inselgruppe im Nordpolarmeer, das Kaiser-Franz-Joseph-Land, auf Welt- und Seekarten ausgelotet. Er hat sich in das Tagebuch des Maschinisten Otto Krisch eingelesen und sich in die Welt des Kapitäns Karl Weyprecht vertieft . 
Die Forschungsfahrt der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition begann am 13. Juni 1872 im norwegischen Hafen Tromsø, als die eisgängige Schonerbrigg «Admiral Tegetthoff» unter dem Kommando von Kapitän Karl Weyprecht mit dem Expeditionsleiter Julius Payer, 24 Mann Besatzung und sieben Schlittenhunden in See stach. Nördlich der russischen Doppelinsel Novaja-Semlia blieb die eisenbeschlagene Schonerbark im Packeis stecken. 
In dieser frostigen Gefangenschaft verharrten die Männer zwei lange Jahre ‒ zehn Monate davon in der absoluten Finsternis des Polarwinters. Sie kämpften gegen Schneestürme, Eispressung, Eisbären und Skorbut. Im Sommer gab es am Horizont nichts anderes als Eisblink und Wasserhimmel zu sehen. 
In einen riesigen Eisteppich eingefroren trieb das Schiff bis 79° 43’ N und 59° 33’ O. Am 30. August 1873 erblickte die Mannschaft erstmals neues Land. Das Eis war trügerisch und unsicher, so dass sie erst am 2. November 1873 den unerforschten Archipel in Besitz nehmen und die rot-weisse Fahne der Doppelmonarchie hissen konnten. 
Sie nannten es Kaiser-Franz-Joseph-Land.

Unter der Leitung von Julius Payer erforschten, erstiegen, vermassen und benannten sie die einzelnen Inseln. Der zentralen Insel gaben sie den Namen «Wiener Neustadt».
Am 20. Mai 1874 mussten die Männer ihr durch die Eispressung beschädigtes Schiff «Admiral Tegetthoff» aufgeben und es im Eis zurücklassen.

Über die langsam auftauende und auseinanderbrechende Eisdecke schleppten sie ihre Beiboote, 85 lange Tage, bei nicht mehr untergehender Sonne. Nachdem die Mannschaft endlich offenes Wasser erreicht hatte, ruderte sie noch zehn Tage in Richtung sibirisches Festland. Völlig entkräftet wurden die Männer schliesslich vom russischen Fischereischoner «Nikolaj» aufgegriffen, der sie gegen fürstliche Entlöhnung nach Norwegen fuhr. Alles nachzulesen im »Wiener Extrablatt« vom 25. September 1874. 

Heute bringen russische Eisbrecher gutbetuchte Touristen zum Archipel der vielen kleinen Eisinseln. Die Teilnehmer dieser Kreuzfahrten ahnen kaum, dass unter der langsam schmelzenden Eisdecke ungeheure Bodenschätze schlummern. Und kaum jemand denkt daran, dass Prospektoren das Eisland eines Tages unter sich aufteilen und schürfen werden. 

In seiner Zeitplastik zur Ausstellung <TransAlpin> reduziert Heinz Niederer die Wiener Neustadt auf eine Eislandschaft. In diesem Mikrokosmos herrscht Tauwetter. Der Künstler gibt dokumentarische Rückblicke und Ausblicke auf die Folgen der globalen Erwärmung. 
Dabei schmilzt seine Eisinstallation. 

So verändern sich auch die Sichtweisen auf das Zeitgeschehen.