Text zur Kulturrampe Schlieren. 



Herr Niederer, das letzte Konzert auf der Kulturrampe ist über die Bühne gegangen. Wieviele Leute wollten sich die Schwyzerörgeli-Gruppe Schlieren anhören?
Heinz Niederer: 60 Zuhörerinnen und Zuhörer haben sich eingefunden. Doch die Anzahl ist nicht wichtig.

Was ist denn wichtig?
Niederer: Wichtig ist der Ort. Erstens die alte Post, die bald abgebrochen wird. Zweitens befindet sich hier der wichtigste Durchgang in Schlieren. Ein Durchgang, den die Stadt von einen Tag auf den anderen geschlossen hat. Ich nenne das hier «en passant». En passant nimmt man hier anderes von Schlieren wahr. 

Haben Sie ein Beispiel?
Niederer: Als Mario Feurer spielte, kam eine schwarze Frau vorbei. Als sie sah, was sich abspielte, nahm sie ihr Mobiltelefon hervor und begann ganz aufgeregt zu sprechen und legte dieses zu den Musikern auf die Bühne um das erlebte zu übermitteln. Dann tanzte sie mit ihrer Tochter und nach einer Weile rannten  die beiden davon, um den einfahrenden Zug zu erwischen. Das sind Erlebnisse, die mich interessieren. Diese Frau lernte ein Schlieren kennen, das anders war als was sie bislang kannte.

Können Sie Ihre Zielsetzung etwas genauer beschreiben.
Niederer: Die alte Post ist ein Abbruchobjekt. Mir ging es um einen Versuch. Die Frage, die ich mir stellte war: Ist es möglich, über Musik verschiedene Kulturen einander näher zu bringen? Das hier lässt sich nicht mit dem «Turnerchränzli» im «Salmen» vergleichen.

Haben die Leute verstanden, was Sie wollten?
Niederer: Das weiss ich nicht. Mir ging es um ein Experiment. Und natürlich hoffte ich, dass es ein Echo gibt. 

Was meinen Sie damit?
Niederer: Vorne an der Buswendeschleife stehen die 4 senkrechten 12 Meter Container von Piero Maspoli. Es würde auch in Zukunft Sinn machen, an diesem Scharnierpunkt von Schlieren Kunst zu zeigen. Kultur muss dort statt finden, wo die Menschen sich zufällig treffen.

Deshalb die Rampe bei der alten Post und deshalb Konzerte am Freitag am frühen Abend.
Niederer: Genau. Ich wollte die Passanten erreichen, die von der Arbeit kommen, am Bahnhof vorbei nach Hause gehen. Ich wollte Kultur hinaustragen.

Und, sind Sie zufrieden?
Niederer: Ich bin im Leben nie zufrieden. Und vielleicht bin ich es doch. Es ist ja so etwas wie eine «soziale Plastik» entstanden: Die kulturelle Wahrnehmung hat statt gefunden, so würde es Beuys nennen. 

Zwischen August 2007 und Juli 2008 haben verschiedene Veranstaltungen stattgefunden. Was war das schönste daran?
Niederer: Das schönste waren die Gespräche unter den Leuten, die gekommen sind.

Abbruchobjekt hin oder her. So ganz ohne Unkosten werden Sie das alles nicht realisiert haben.
Niederer: Ich habe zehn neue Grafiken gemacht und bin damit zum Rotary Club Limmattal gegangen. Den gesamten Erlös von 4000 Franken habe ich in mein Experiment investiert.

Hat es sich gelohnt?
Niederer: Die alte Post ist ein Abbruchobjekt, das wusste ich. Doch eigentlich wollte ich nach der Winterpause noch einmal ein Programm anhängen. Nun kommt es eben anders, als geplant.

Wetten, das Sie schon ein neues Projekt in Vorbereitung haben.
Niederer: Ich habe immer noch Lust, Neues auszuprobieren. Nun hole ich erst mal meinen Giessofen, den ich vor zehn Jahren selber gebaut habe, wieder hervor. Ich werde ihn in Betrieb nehmen und damit Bronze giessen.

Aufgeschrieben von Suleika Baumgartner
Veröffentlicht in der Limmattaler Zeitung vom 12. Juli 08

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