timemark

Kunst zielt auf Ewigkeit.
Kunst geht gegen die Vergänglichkeit an.
Kunst will Spuren hinterlassen über das Ende eines Menschenlebens hinaus.
Künstler wollen Zeichen in ihrer Zeit setzen, die jene deuten sollen, die nach ihnen kommen.
Künstler schaffen sich Bedeutung, indem sie ihr Werk von denen, die nach ihnen kommen, deuten lassen wollen.
Künstler schaffen sich durch ein Werk Unsterblichkeit.
Mindestens ist das ihr Anspruch.

Künstler setzen Marken. Sie setzen Marken in ihrer Zeit. Sie setzen Zeitmarken. Wenn die Zeit kippt, von einem Jahrtausend ins andere, gewinnt ihr Tun an Bedeutung. Die Nullzeit zu fixieren, einen nicht wahrnehmbaren Zwischenraum bildlich darzustellen ist eine Herausforderung an den Künstler. Die Zeitwende mit einem Nadelstich zu durchbohren, ein Zeitloch schaffen. Zu dokumentieren, dass man dabei gewesen ist, als Vergangenheit und Zukunft scheinbar greifbar geworden sind. Den Endpunkt des Jahrtausends fixieren, dessen Ende man gelebt hat und den Anfangspunkt eines Jahrtausends, das man nicht zu Ende lebt. Tod und Geburt werden eins. Den Kosmos in seiner Bewegung einzufrieren, den Sternenhimmel in diesem Augenblick, der auf Ewigkeit zielt, in Ihrem Verhältnis zur Erde anzuhalten.

Der Anspruch des Künstlers, Zeit zu fixieren und über sie hinaus anwesend zu sein hat etwas Grössenwahnsinniges.
Jeder Teilnehmer an dieser Kunstaktion hat sich dessen bewusst zu sein.
Wer jetzt eine sogenannte timemark erwirbt, eine kulturunabhängige Marke mit dem Abbild des Sternenhimmels bezogen auf unseren Planeten zum Zeitpunkt 2000,0 gibt sich zum einen als Teilhaber und Teilhaberin einer originellen Idee zu erkennen und demonstriert, dass Kunst ein Denkprozess ist und bringt gleichsam seine Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit als Mensch und Künstler zur Deckung mit einem einzigartigen Augenblick in der Weltgeschichte, andrerseits aber weiss er sich weltweit verbunden mit anderen Menschen, die an diesem Akt Teilnehmen, als Kollektiv, verbunden durch die Idee und dem Ritual des sich in "die Zeit einbringens".
Alle, die an dieser Aktion teilnehmen, bringen ihre eigene Individualität, ihre eigene Unverwechselbarkeit ein, indem sie ihre eigene individuelle timemark, in die der Name unauslöschbar eingegossen ist, aus ihrer beschränkten Zeit in eine Zukunft entlässt, die wir zwar mitgestaltet, die jedoch noch nicht definiert ist.

Jede und jeder legt so seine eigen Spur, als Partisan des Künstlers, der die Idee geboren und das Objekt geschaffen hat. Es ist dies eine Form von Solidarität, in der alle Teilnehmer und Teilgeber einzelne aufgehoben sind, weil sie frei über ihre timemark verfügten, weil sie entscheiden, welchen Weg sie nehmen soll.
Die erste timemark wurde 1998 vor der Insel Maurizius im Meer versenkt. Es handelte sich um einen Prototyp aus Cr-Ni-Stahl, der mittels Lasertechnologie realisiert wurde.

Die Produktion gläserner timemarks ist 1999 angelaufen. Mittlerweilen sind über 3000 timemarks, jede mit dem Namen des Teilhabers, der Teilhaberin des Gemeinschaftswerks produziert und versandt worden. 
Die Einzigartigkeit des Kunstwerks zielt auf Multiplikation. In der riesigen virtuellen Welt des Internet wird eine grössenwahnsinnige Idee realisiert: Ein gigantischer Gedanke wird weltweit verbreitet. Der Zu-Fall entscheidet mit, wer surfend diese Seite entdeckt und die Scheibe erwirbt.
Das Projekt ist ein faszinierendes Produkt einer zerrissenen Zeit, die auf Ewigkeit zielt und im Kommerz lebt.
Am Ende steht die Vision, dass weltweit timemarks unsere eigene Zivilisationsschicht markieren, an persönlichen Fixpunkten in einer Welt, in der uns die Sterne als Navigationshilfe abhanden gekommen sind.

Peter Zeindler, 1999